Konzert am 08.04.2023 Concert spirituel 4: NightSong
Kirche Am Hohenzollernplatz Berlin Nassauische Strasse 66, Berlin, Berlin, Deutschland
In diesem NoonSong erklingt erstmals ein besonderes Canticum des römischen Komponisten Anerio. Sie basiert auf einer liturgisch ungewöhnlichen Textzusammenstellung. Während der erste Teil dem 1. Korintherbrief entlehnt ist, scheint die Fortsetzung aus Fragmenten eines Textes des Kirchenlehrers Augustinus zu stammen. Es ist erstaunlich, dass ausgerechnet der Kapellmeister der päpstlichen Kapelle, der sich als Nachfolger Palestrinas besonders für die gegenreformatorische Neuordnung der Kirchenmusik einsetzte, solch ein theologisch tiefgehender, aber letztlich nicht für die Liturgie bestimmter Text vertont. Möglicherweise war die Musik daher für eine päpstliche Privatandacht bestimmt.
Musikalisch auffallend ist die barocke Lust der musikalischen Textausdeutung. Wie in einem Madrigal stellt der Komponist den menschlichen Tod der göttlichen Auferstehung, das irdische Sterben dem ewigen Leben gegenüber. Der Komponist scheint mit Freude die Fesseln abgestreift zu haben, die liturgischer Musik auferlegt sind und zeigt sein ganzes handwerkliches Können und seine Fantasie.
Immer wieder erklingen im NoonSong Werke von Komponisten, deren Namen den Wenigsten ein Begriff sind. Manche von diesen weitgehend unbekannten Komponisten sind für die Musikwissenschaft von Bedeutung, so dass Spezialisten bei diesen Namen aufhorchen, andere genossen zu Lebzeiten hohes internationales Ansehen und sind heute vergessen.
So ist es mit dem in Mannheim geborenen deutschen Dirigenten und Komponisten Heinrich Esser, von dem wir heute erstmals eine schlichte Vertonung des 23. Psalmes hören.
Esser studierte bei den renommierten Kompositionslehrern Franz Lachner in München und Simon Sechter in Wien. Er war Kapellmeister am Nationaltheater in Mannheim, später am Theater in Mainz. Dort unterrichtete er u.a. auch Peter Cornelius. 1847 wurde er Kapellmeister am Wiener Hoftheater. Er setzte sich sehr für die Werke Richard Wagners ein und dirigierte die Wiener Erstauffühung des Lohengrins.
Mit 53 Jahren verstarb er, hoch geehrt, an Tuberkulose. Seine Opern, und seine fünf Sinfonien stehen heute nicht mehr auf den Spielplänen. Die heute zu hörende Psalmvertonung ist auch ein Zufallsfund.
In Harmonik und Melodik steht sie ganz in der Tradition Mendelssohns und der zweiten Berliner Liederschule - zurückhaltend in der Harmonik, klangschön und mit guter Textverständlichkeit. Die Worte „und ob ich schon wanderte im finsteren Tal“ inspirieren den Komponisten zu einem fugierten, dramatischeren Abschnitt, der in großer Tiefe, wirklich im finsteren Tal, endet und der das musikalische Geschick des Komponisten hörbar werden läßt.
Drei Mal alte Musik, dreimal unterschiedliche Welten: Dieser NoonSong stellt calvinistische Musik aus Flandern, katholische Kathedralmusik aus dem Petersdom in Rom und protestantische Kirchenmusik aus Nürnberg gegenüber, die nahezu gleichzeitig entstand.
Die prachtvollen Vokalwerke des englischen Barock-Komponisten Henry Purcell sind in Deutschland noch weitgehend unbekannt. Erstmals erklingt im NoonSong sein fünfstimmiges schwungvolles "Cantate Domino" als Vertonung des Wochenpsalms, der diesem Wochenende seinen liturgischen Namen gegeben hat: Cantate - singt!
Wieder gibt es englische Renaissance-Musik zu entdecken. Thomas Tallis wirkte in einer Zeit, in welcher es in England lebensgefährlich war, Katholik zu sein. Seine herausragenden musikalischen Kompositionen sowohl für die katholische als auch für die neue anglikanische Liturgie schufen ihm ein hohes Ansehen, das ihm Leben und Einkommen sicherte.
Dresden steht im Mittelpunkt dieses NoonSongs. Am dortigen Hof etablierte der venezianische Komponist Lotti die italienische Oper, bevor er als Kapellmeister von San Marco - in der Barockzeit eines der bedeutendsten kirchenmusikalischen Ämter überhaupt - nur noch Kirchenmusik komponierte. Homilius hätte Lotti als Kind in Dresden fast noch hören können. Der Schüler von J.S. Bach wurde Organist an der Dresdner Frauenkirche und schließlich Kreuzkantor. sirventes berlin hat Homilius' Musik in einer vielbeachteten CD weltweit wieder bekannter gemacht.
Lateinische Kirchenmusik von deutschen Komponisten der Romantik erklingen in diesem festlichen Pfingst-NoonSong. Alle drei Komponisten huldigen dem Ideal des Palestrina-Stils. Sie können aber den Einfluß Mendelssohns und (die beiden späteren) Wagners nicht verbergen.
Wiederentdeckungen deutscher Chormusik stehen im Zentrum dieses NoonSongs. Kaum jemand kennt die Kirchenmusik des schwäbischen Liederkomponisten Friedrich Silcher, dessen schlichte, aber eindrucksvolle Hymne "Te Deum" hier vorgestellt wird.
Mendelssohn Bartholdy und Georg Schumann sind beides Komponisten, welche das Berliner Musikleben nachhaltig geprägt haben: Mendelssohn als Direktor des Berliner Domchores und Schumann als langjähriger Leiter der Singakademie zu Berlin. Viele der spätromantischen Chorkompositionen Schumanns warten noch auf ihre Wiederentdeckung.