197. NoonSong am 20.04.2013 um 12:00
In diesem NoonSong erklingt erstmals ein besonderes Canticum des römischen Komponisten Anerio. Sie basiert auf einer liturgisch ungewöhnlichen Textzusammenstellung. Während der erste Teil dem 1. Korintherbrief entlehnt ist, scheint die Fortsetzung aus Fragmenten eines Textes des Kirchenlehrers Augustinus zu stammen. Es ist erstaunlich, dass ausgerechnet der Kapellmeister der päpstlichen Kapelle, der sich als Nachfolger Palestrinas besonders für die gegenreformatorische Neuordnung der Kirchenmusik einsetzte, solch ein theologisch tiefgehender, aber letztlich nicht für die Liturgie bestimmter Text vertont. Möglicherweise war die Musik daher für eine päpstliche Privatandacht bestimmt.
Musikalisch auffallend ist die barocke Lust der musikalischen Textausdeutung. Wie in einem Madrigal stellt der Komponist den menschlichen Tod der göttlichen Auferstehung, das irdische Sterben dem ewigen Leben gegenüber. Der Komponist scheint mit Freude die Fesseln abgestreift zu haben, die liturgischer Musik auferlegt sind und zeigt sein ganzes handwerkliches Können und seine Fantasie.
Nord gegen Süd – so könnte man das Aufeinandertreffen der beiden Komponisten des Frühbarocks Hieronymus Praetorius aus Hamburg und des Norditalieners Giovanni Bassano bezeichnen. Die “Deutsche Biografie” von 1886 schreibt über das Werk Praetorius’: “Der weiche, volle, wahrhaft berauschende Klangeffect, den die Italiener dieser Zeit entwickelten, geht ihm völlig ab. Kraftvoll, gemüthvoll, innig, ernst bis zur Rauheit, das sind die durchgehenden Charakterzüge in seinen Werken”. Bassano hingegen war weit über seine Zeit als Komponist und Geiger in ganz Europa berühmt, sogar Johann Sebastian Bach besaß eine Kopie seiner Motetten.