Zeugnis expressionistischer Sakralarchitektur
Die Kirche Am Hohenzollernplatz ist ein herausragendes Zeugnis expressionistischer Sakralarchitektur. Sie wurde 1930-33 unter dem Chilehaus-Architekten Fritz Höger nach Entwurf Ossip Klarweins erbaut und am 19. März 1933 eingeweiht.
Da hatte Höger, der mit dem Nationalsozialismus sympathisierte, seinen jüdischen Hauptentwurfsarchitekten Klarwein bereits entlassen (Klarwein konnte 1934 nach Palästina emigrieren). Nach Kriegsschäden und Wiederaufbau kam das Gebäude 1966 unter Denkmalschutz und wurde 1990-91 saniert; die Glasmalerei der Seitenfenster schuf der Regisseur, Bühnenbildner und Maler Achim Freyer.
“Kraftwerk Gottes”
Das Kirchengebäude fokussiert den Hohenzollernplatz auf sich und setzt mit dem (incl. Kreuz) 66m hohen Turm an der Nordseite des Chores eine städtebauliche Dominante.
Hoher schmaler Baukörper
Der hohe schmale Baukörper wirkt kompakt und monumental, weswegen die Kirche auch „Kraftwerk Gottes“ genannt wurde. Er ist mit rotvioletten, z.T. vergoldeten „Bauedelsteinen“ (Höger) verklinkert.
Um die Längsseiten zieht sich wie eine etwas niedrigere Ummantelung eine gleichförmige enge Abfolge von Vertikalstreben (Lisenen) bis auf die Eingangsseite. Sie kaschiert die Kirchenfenster und faßt mit halbrunden Treppenturm-Pylonen die markante Fassade mit dem Spitzbogenportal ein.
Zum Platz hin öffnet sich der Eingang über eine monumentale Freitreppe. Die Erhöhung kommt durch den Gemeindesaal im Souterrain zustande. Dessen Fenster bilden bündig mit den Seitenschiffwänden einen weiteren schmalen und niedrigen Vorsprung längs des Baukörpers.
Spitzbogen
Der Außenbau läßt keine Rückschlüsse auf den Innenraum zu, auch wenn das Spitzbogenportal formal darauf vorbereitet. Konstruktiv handelt es sich um einen Eisenbetonbau in Skelettbauweise, dessen primäres Element die 13 spitzbogigen Betonbinder sind, deren Kurvatur die Abtreppung des Außenbaus bestimmt.
Der hoch aufstrebende Chor ist mit vertikalen türkisblauen Fliesen ausgekleidet und vom Kirchenschiff durch einen kleineren Spitzbogen abgegrenzt, so daß er nicht in ganzer Höhe eingesehen werden kann.
Das farbige Altarfenster setzt sich in der Decke in einem Klarglas-Oberlicht fort: aus unsichtbarer Quelle fällt so von oben Tageslicht ein.
Lichtdramaturgie im Innern
Neben der gotisierenden Vertikalgliederung und -betonung der Kirche beeindruckt die Lichtdramaturgie im Innern. Die Spitzbögen verstärken nicht nur wie Kulissen den Tiefenzug des Raumes, sondern kaschieren eingangs auch die farbigen Obergadenfenster.
Höger galt „Licht als Baustoff“. Ursprünglich waren die Fenster bernsteinfarben, die Beleuchtung strahlte nach oben blau, nach unten gelb, die Betonbinder blieben materialfarbig. Vorher eher mystisch-dunkel, wandelte sich die Lichtwirkung mit der spektralfarbigen Glasmalerei Freyers und der Abtönung der Betonbinder von weiß nach wolkig-himmelblau zu himmlischer Anmutung.